Pressestimmen

"Engadiner Post" vom 28.6.2005

Ingelore Balzer: Donizettis "Borgia"-Drama feierte Premiere

Freundschaft, Liebe, aber auch Eifersucht, Verzicht, Intrigen und ein tödliches Gift stehen im Mittelpunkt dieses emotionell geladenen Renaissance-Geschehens. Das begeisterte Publikum sparte an der Premiere am Samstag denn auch nicht mit Applaus und spendierte im Finale sogar eine "Standing Ovation". (...)
Schon beim Eintritt in den bis auf den letzten Platz ausgebuchten Musentempel entdeckt man auf den Tischen "herzige" kleine Giftfläschchen, die das Publikum einladen, sich zur Verschönerung und zur Abwechslung des Abends doch einmal eine Dose "Arsenik" zu genehmigen. (...)
Regisseur Joachim Rathke hat mit der diesjährigen Inszenierung erneut tolle Ideen aus dem Ärmel geschüttelt und mit Bühnenbildner Philipp Kiefer (...) das Bühnengeschehen auf einen länglichen Tisch verlegt, der in verschiedenen Funktionen zum Einsatz kommt.


"Die Südostschweiz" vom 27.6.2005

Olivier Berger: Mord und Totschlag zum Geniessen

Donizettis "Lucrezia Borgia" sorgte bei der Uraufführung am 26. Dezember 1833 in der Mailänder Scala für einen veritablen Skandal. Die inzestuöse Thematik und die bisexuellen Neigungen der Figuren Gennaro und Orsini dürften allerdings nicht der Grund gewesen sein, dass das Werk in der Schweiz seit 43 Jahren nicht mehr aufgeführt wurde; in Italien beispielsweise ist "Lucrezia Borgia" die meistinszenierte Oper überhaupt.
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Mit Joachim Rathke kann Schultsz auf jenen Regisseur zählen, der vor Jahresfrist Gioacchino Rossinis "Turco in Italia" auf kleinstem Raum in der Halle des St. Moritzer Hotels "Badrutt's Palace" auf den Punkt gebracht hat. Heuer ist der Festsaal des "Palace" Schauplatz der Opern-Vorstellungen, und Rathke erweist sich einmal mehr als Meister der grossen Bilder auf kleiner Bühne.
Als Spielort für das Geschehen um Mutterliebe und Rachsucht haben sich Rathke und Bühnenbauer Philipp Kiefer für eine Mischung aus Modeschauen-Laufsteg und Festtafel entschieden: ein multifunktionales, langgestrecktes, in jungfräulich-edlem Weiss erstrahlendes Bühnenbild. Auf den Hintergrund zaubert Kiefer in blutroter Leuchtschrift den Namen Borgia: Lucrezia wird in der St. Moritzer Inszenierung quasi zur Marke, zum Oberbegriff des Bösen und Verderbten. Den eigentlichen Zwiespalt der Titelfigur symbolisiert Rathke zur Ouvertüre: Die Liebe und der Tod betreten die Catwalk-Bühne (...).
Die musikalische Umsetzung ohne Längen und unnötige Schwere sowie Rathkes sinnlich-berückender Bilderrausch machen "Lucrezia Borgia" in St. Moritz zu einem Genuss für Opernfreunde. Die Inszenierung ist aber auch sehr geeignet für all jene, welche die Welt der Oper kennen und lieben lernen möchten."


"Blick" vom 16.6.2005

Hans Uli von Erlach: Den Sohn als Liebhaber

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Mit wenigen Zutaten gelingt Regisseur Joachim Rathke viel spannungsvoller Effekt. Herausforderung Nr.1: Die Bühne läuft als 20 Meter langes, weisses Doppelpodest quer durch den Raum. Sie ist mal Festtafel und mal Schlachtfeld. Herausforderung Nr.2: Die Sänger sind keine zwei Meter vom Publikum entfernt. Hier muss jede Emotion echt wirken. Das gelingt, die Aufführung ist Kammertheater auf hohem, unterhaltsamen Niveau.


"Neue Zürcher Zeitung" vom 27.6.2005

Jedem sein Giftfläschchen

Verführerisch zieht der Duft des gebratenen Hähnchens durch die Zuschauerreihen. Doch der arme Don Alfonso hat gar nichts davon. Mit dem dampfenden Pouletschenkel in der Hand singt er stimmgewaltig seine Gattin Lucrezia an, die am anderen Ende der ewig langen Tafel sitzt. Einen herzhaften Bissen kann er sich bei der anspruchsvollen Arie kaum erlauben. Doch auch wenn auf der Bühne Lieb und Leid nur gespielt sind, im Speisesaal des "Badrutt's Palace" von St. Moritz wird kein Gummiadler aufgetischt. (...)
Das Hotel ist dabei weit mehr als nur zufälliger Spielort. Und "Lucrezia Borgia" von Donizetti, die am Samstag dort Premiere hatte, war keine Aufführung, die lediglich vom üblichen Rahmen auf Taschenformat geschrumpft wurde. Das in der Schweiz schon seit mehr als 40 Jahren nicht mehr gespielte Stück war mit großer Stilsicherheit für dieses Ambiente eingerichtet worden. Je länger der Abend fortschritt, desto mehr schienen auch die Grenzen zwischen der ausschweifenden und intriganten Renaissance-Gesellschaft und der verwöhnten Gästeschar zu zerfliessen.
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Imke Sturm-Krohne hat für das vom Opernchor Engadin souverän unterstützte Ensemble abstrakte Renaissance-Kostüme von effektvoller Farbigkeit entworfen.
Regisseur Joachim Rathke und Bühnenbildner Philipp Kiefer ist das Kunststück gelungen, den Korridor-artigen Saal mit einer schmalen, überlangen Bühne so zu beleben, dass kein Sitzplatz benachteiligt war. Sie profitierten dabei von ihrer Lucrezia Joanna Wos, die mühelos bis in die entfernteste Ecke zu fesseln vermochte.
Auf Aufforderung der attraktiven Polin griff jeder im Saal gerne zu dem auf jedem Tisch auf einem roten Samtkisschen bereitgelegten Giftfläschchen." (...)


"Der Landbote" vom 28.6.2005

Herbert Büttiker: Liebe, Tod und Gift im Festwein

Der üble Leumund der Papsttochter Lucrezia Borgia ist legendär. Das Thema, das Viktor Hugo inspirierte, war aber die Kontrastierung der Monstrosität mit den Gefühlen reiner Mutterliebe - wie zuvor schon der Zwiespalt des Vaters und zynischem Hofnarren Triboulet, später Verdis Rigoletto. Nur ein paar Monate nach der Uraufführung des Dramas in Paris brachten Gaetano Donizetti und sein Librettist Felice Romani ihre Oper nach dieser Vorlage an der Scala heraus, ein Markstein im fieberhaften Schaffenstempo des Komponisten gerade in der Nähe zum Schauspiel. Zwar schließt die Oper mit der Aria finale, in der Verzweiflung und Koloraturen-Virtuosität der Primadonna eins sind, aber auffällig ist das Stück auch in seiner Reihe anspruchsvoller Dialogszenen in den Nebenpartien.
Das Opernfestival Engadin/ St. Moritz, das zum sechsten Mal stattfindet, hat in beiden Bereichen Hervorragendes zu bieten: einheimische Kräfte, Laien im Chor, namhafte Profis wie Claudio Danuser und Flurin Caduff in markanten Nebenrollen und internationale Solisten in den Hauptpartien. Es sind nicht die grossen Namen des Opern-Jetset, aber exzellente Vertreter ihres Fachs.
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Für die Inszenierung im langgestreckten Speisesaal fand das Team Joachim Rathke, (Regie), Philipp Kiefer (Bühne) und Imke Sturm-Krohne (Kostüme) eine originelle Lösung: ein Korpus, Laufsteg oder Bankettisch, teilt den Saal in der Länge. Das Spiel mit weiten Gängen, grossen Entfernungen, mit Positionen vor, auf und hinter der Rampe gibt dem Geschehen eine Dynamik, die Schauplätze ersetzt." (...)


"Bündner Tagblatt" vom 27.6.2005

Miriam Lendfers: Hautnah und einwandfrei

Nach den Aufführungen der vergangenen Jahre sind am Samstag die Erwartungen an der Premiere des diesjährigen Opernfestivals Engadin/ St. Moritz hoch gewesen, doch sie konnten erfüllt werden. Ein erneuter Hochgenuss.
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Die Oper unter der Regie von Joachim Rathke und mit dem Bühnenbild von Philipp Kiefer präsentiert sich sehr ansprechend. Das Publikum sitzt nahe am Geschehen und wird beinahe Teil desselben. Die Bühne verzichtet auf viel Schnickschnack, ist vielmehr schlicht, die benutzten Requisiten sind wirkungsvoll. (...)


"Musik und Theater"

Reinmar Wagner: Gift, Mord, Falltüren und zartblaue Cüpli

Im legendären Luxushotel Palace zeigte das Opernfestival Engadin-St. Moritz mit "Lucrezia Borgia" Donizettis ersten Grosserfolg. Die Produktion wird geprägt von einer spielerisch-intelligenten Regie und einer hervorragenden musikalischen Umsetzung.
Ein Speisesaal ist keine Opernbühne, aber mit ein bisschen Fantasie lässt sich erstaunlich viel Bühnenatmosphäre herzaubern. Im Palace genügen ein extralanger Laufsteg-Tisch mit ein paar Falltüren, ein bisschen Licht und sechs Buchstaben: B-O-R-G-I-A. Blutrot beleuchtet. Der Regisseur Joachim Rathke konzentrierte sich auf die detaillierte Führung seiner Figuren, und dank der Intensität, die er dabei erreichte, konnte er auf jegliches Ausstattungs-Brimborium verzichten.

Zum Greifen nah
Dafür wird Gift serviert, nicht nur auf der Bühne, der auch sonst überzeugende Chor kredenzt in den ersten Zuschauerreihen zartblau und giftgrün leuchtende Cüpli. Man nippt daran, ziemlich mutig in einer Oper, in der Mord, Misstrauen und Verrat herrschen und die legendäre Giftmischerin Lucrezia Borgia die Fäden zieht. (...)


"Engadiner Post" vom 7.7.2005

Marcella Maier: Große Musik in reinster Form

Das ist es, was die Aufführung der Oper "Lucrezia Borgia" im Badrutt's Palace zu einem zutiefst beeindruckenden Erlebnis gemacht hat - die Art der Inszenierung, die das Werk, die Musik in einer geradezu strikten Weise ins Zentrum gestellt hat. Befreit von allem äusseren Drum und Dran wurde ein Raum geschaffen, in dem sich Musik, Gesang, Darstellung allein zu behaupten hatten, uneingeschränkt ihre Glut in reinster Form, schlackenlos möchte man sagen, verströmten.

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