Aus "Frankfurter Allgemeine Zeitung", 23.1.2004

Michael Gassmann

[...] Die Stadt würde mit einer solchen Förderung aufs richtige Pferd setzen. Das beweist auch die neueste Produktion der Kompanie, eine rundum überzeugende Inszenierung des formal und inhaltlich heiklen Song Plays "I Was Looking at the Ceiling and Then I Saw the Sky" von John Adams. Das aus dreiundzwanzig abgeschlossenen, inhaltlich nur lose miteinander verbundenen Songs bestehende Werk von 1995 changiert zwischen Musical, Oper und Nummernrevue und ist verwandt mit Episodenfilmen wie Robert Altmans "Short Cuts". Sieben Sängerinnen und Sänger stellen junge Menschen mit unterschiedlichstem sozialem Hintergrund im Los Angeles der neunziger Jahre dar, deren Leben durch ein Erdbeben verändert wird.
Ein schlechter Regisseur könnte daraus sozial engagiertes Sprechblasentheater von bleierner Gutmenschelei machen. In Freiburg sind Joachim Rathke (Regie) und Philipp Kiefer (Ausstattung) der Gefahr glücklich entronnen: Bei ihnen spielt das Leben selbst: Frauen lieben Männer, Männer lieben Frauen (oder Männer). Die Bühne dafür bietet eine Diskothek mit Bar, Billard, WC und unzähligen Diskokugeln an der Decke, eingerichtet in der Mitte des großen Saals im Freiburger E-Werk; die Zuschauer sitzen an drei Seiten drum herum und können in der Pause die Bar benutzen. Die Diskothek funktioniert gut als Metapher fürs Großstadtleben, weil sie Rathke mit Leben zu füllen weiß. Die sieben [...] Darsteller [...] singen, spielen und tanzen gleichermaßen überzeugend, angefeuert von John Adams' Musik [...].
Der Titel des Singspiels ist ein Zitat: Es ist der Ausspruch einer Überlebenden des großen Erdbebens in Los Angeles 1994. Sie schaute an die Decke ihres Hauses, als es einstürzte und sie den Himmel sehen konnte. In Freiburg mutieren in diesem Augenblick die Diskokugeln zu den Sternen am Firmament. [...]


Aus "Badische Zeitung", 22.1.2004

Julia Littmann

"Wenn alle Pfarrer so sexy wären,", seufzt's im Pausengedrängel, "dann würd' ich auch zur Kirche gehen!" Pause ist im E-Werk, gezeigt wird an diesem Abend ein Stück, das weder so richtig Oper noch so richtig Musical sein will. [...] Mit diesem Stück feiert sich die Young Opera Company zu ihrem Zehnjährigen. Und lockt damit auch verblüffend viele Schüler an.
[...] Flüchtlingsschicksale als Musicalthema? Die Jugendlichen [...] finden, gerade solche Themen gehören auf die Bühne. "Das passt, das sind alles Sachen aus unserer Welt, aus unserem Leben" sagt Luigi Naidin.
Und Manuel Sladek sagt's wie viele an diesem Abend: "Das war einfach geil!"
Was? Die Geschichte. Und die Darsteller.
[...] "Trotzdem ist die Musik echt gewöhnungsbedürftig", gesteht Annette Beha. Und ist gerade deswegen begeistert, "dass einen das so dermaßen packt!" [...].


Aus "Kultur Joker", 2/2004

Karsten Umlauf: Auf dem Dancefloor blühen junge Opern

"In der großen Halle stauen sich wummernde Drums, strahlende Synthesizer und kreischende E-Gitarren. Aus den Ecken kriecht Kunstnebel auf die Tanzfläche, an der Decke hängen Diskokugeln. Aber ins E-Werk hat sich keine 90er Jahre-Party verlaufen, hier ist Opernvorstellung. Sieben Leute in Los Angeles, alle auf der Suche nach ihrem persönlichen Glück, der großen Liebe zum Beispiel [...]. Doch dann gibt es ein Erdbeben und alles ändert sich, doch niemand wird glücklich. [...]
Großstadtmelancholie, eingefangen in 23 locker verbundenen Einzelbildern. Statt aber die vielen Ortswechsel notdürftig nachzuzeichnen hat Regisseur Joachim Rathke alle Beteiligten in eine Disko gesteckt. In der Mitte eine lange Bar, rechts eine Toilettenwand mit Waschbecken, ein Billardtisch (Ausstattung: Philipp Kiefer).
Die Inszenierung erzählt keine zusammenhängende Story, sondern betont die Schlaglichter. Ein gelungener Mix, der die Sänger gut in Szene setzt und auf der lang gezogenen Bühne ständig im Spiel hält. Mit dem Schwerpunkt auf den einzelnen Songs steht Rathke in guter Musicaltradition. Das ist gerade recht, denn John Adams Stück "I was looking at the ceiling, and then I saw the sky" nennt sich zwar "Songplay" in Anlehnung an Kurt Weill, ist aber nichts anderes als ein Rockmusical ohne Dialoge. [...]
Schlüssel zum Erfolg der Produktion sind daneben die phänomenalen Sänger, allesamt junge bis sehr junge Musicalprofis. [...]

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