Aus "Rhein-Zeitung", 23.3.2010

Peter Karges: DER "BLUE ROOM" GIBT EINBLICK IN LIEBESWELTEN

David Hares von Schnitzlers "Reigen" inspiriertes Stück hatte Premiere im Konradhaus

KOBLENZ. Die Bühne des Konradhauses ist nicht gerade groß. Regisseur Joachim Rathke hat sie für seine Inszenierung des Schauspiels "Blue Room" von David Hare, die jetzt Premiere feierte, noch verkleinert. Zwei nach hinten ragende blaue Holzwände, die von einer ebenfalls blauen Rückwand abgeschlossen werden, schaffen so einen Raum im Raum. Eine Box, in der die Verwandlungen der Liebenden stattfinden (Ausstattung: Heike Mondschein).
Und diese Interpretation ergibt Sinn, denn das rund zweistündige Theaterstück "Blue Room", das auf Arthur Schnitzlers "Reigen" zurückgeht, erzählt von den Metamorphosen des Eros. Durch eine Drehtür katapultiert Rathke die Protagonisten dabei ins Liebesgemach. In kurzer Abfolge wird die Liebe so durch die Gesellschaft getragen - Prostituierte, Taxifahrer, Au-pair-Mädchen, Student, Ehefrau, Gemahl, Model, Dramatiker, Schauspielerin, Aristokrat, Prostituierte.
Solcher Sinnesreigen erregte 1920, bei der Berliner Uraufführung von Schnitzlers Werk, einen Theaterskandal. Heutzutage ist dies keine Grenzüberschreitung mehr. Aber das Stück, dessen fünf weibliche Rollen Annika Woyda und dessen fünf männliche Ben Rademacher spielen, braucht, wie Rathke zeigt, keinen Tabubruch, um aufzugehen. Sehr schön arbeitet er vor allem die allgegenwärtige Janusköpfigkeit der Figuren heraus. So verhält sich der Jurastudent gegenüber dem Au-pair-Mädchen noch wie ein arroganter Schnösel, um gegenüber der erfahrenen Ehefrau als devoter Bettvorleger zu landen.
Doch so verschieden die gesellschaftlichen Unterschiede der Paare sind, der Liebeswunsch bleibt immer gleich. Und wenn auch die Prostituierte in der letzten Szene mit dem Aristokraten davon spricht, dass der Taxifahrer, mit dem der Reigen begann, sie nun heiraten wolle, spürt man, dass diese Liebessehnsucht letztendlich unerfüllt bleibt.
"Blue Room" hat neben einer gewissen melancholischen Grundstimmung aber auch viele komische Elemente. Und mit der Zuspitzung der Charaktere werden diese bewusst von der Inszenierung verstärkt. So spielt Annika Woyda gekonnt mit osteuropäischem Akzent und blondierter Perücke das Au-pair-Mädchen, mit Handtäschchen und Berliner Schnauze das Model und in Domina-Kluft die Schauspielerin. Und Ben Rademacher gibt unter anderem ebenso überzeugend im Poloshirt den verklemmten Studenten, mit gescheiteltem Haar den Politiker oder mit nackter Brust den sich selbst marternden Dramatiker.
Dennoch würde man der sehr gelungenen Aufführung unrecht tun, wenn man sie nur unter solch Comedy-Elementen betrachten würde.

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